CKW, KW oder wäßrig. Ein Umweltvergleich, Teil I

Juni 1995
Ort: 
mo metalloberfläche 49 (1995) 1, S.12-14
Autor: 
Winfried Schwarz
Sprache: 
Deutsch

Ein Umweltvergleich, Teil I

André Leisewitz, Winfried Schwarz, Frankfurt

Mit der novellierten 2. BimSchV zwingt der Gesetzgeber die Anlagenhersteller und Betreiber zum Handeln. Vorgestellt werden die ökologischen Auswirkungen der wäßrigen CKW-Substitution. Die Belastungsverlagerung bei wäßriger Reinigung ist geringer als erwartet.

CHC-, HC- and aqueaous cleaning. An ecological comparison. With the amended 2nd BimSchV, the legislator forces manufacturers and operators of plants to act. The article introduces the ecological effects of the aqueous substitute to CHC. The shift of ecological burden from air to waterpath is smaller than expected.

Die novellierte 2. BImSchV zwingt zur Umstellung der traditionellen CKW-Metalloberflächenreinigung in offenen Anlagen auf wäßrige, auf Kohlenwasserstoff- oder emissionsarme CKW-Anlagen. Die Übergangsbestimmungen liefen Ende 1994 aus. Eine 1992 bis 1994 verfaßte Studie des Umweltbundesamts, Berlin, (1) prüft, inwieweit es dabei zu einer ökologischen Entlastung bzw. Belastungsverlagerung vom Luft- zum Wasserpfad kommt. Es werden 38 betriebliche Umstellungsfälle aus allen Branchen der deutschen Metallindustrie untersucht, bei denen die gleiche Reinigungsaufgabe früher mit CKW, jetzt wäßrig (27 Fälle) bzw. mit KW-Lösemitteln (11 Fälle) durchgeführt wird. Für diese Fälle werden Stoff- und Energieverbräuche, Emissionen und Abfälle aus Anlagenbetrieb und Abfallentsorgung sowie Betriebskosten quantitativ erfaßt und qualitativ bewertet. In zwei Drittel der Substitutionsfälle hätten anstelle von wäßrigen bzw. KW-Anlagen auch moderne CKW-Anlagen installiert werden können. Die Daten für entsprechende CKW-Anlagen wurden in Zusammenarbeit mit CKW-Anlagenherstellern berechnet.

Nach Anlagenauswahl und Erfassungsgrad kann die Studie Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse für die anlagenbezogene Metalloberflächenreinigung erheben. Die Anlagenauswahl repräsentiert (bezogen auf 1989) ein halbes Prozent des entsprechenden CKW-Anlagenbestandes mit über einem Prozent des damaligen Lösemittelverbrauchs für die Metallentfettung.

Hauptergebnisse: Alle drei modernen Verfahren führen zu deutlicher Umweltentlastung, aber höherem Energieverbrauch. Die Belastungsverlagerung bei wäßriger Reinigung ist geringer als erwartet. Hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit schneiden die wäßrigen Reiniger am besten ab. Der Kostenvergleich spricht zugunsten wäßriger und KW-Reinigung. CKW ist gegenwärtig nicht überall ersetzbar. Bei wäßrigen und KW-Anlagen besteht Optimierungsbedarf und -möglichkeit.

Der erste Teil dieses Beitrags befaßt sich mit den ökologischen Auswirkungen der wäßrigen CKW-Substitution. Der Ersatz durch KW-Anlagen sowie eine Gegenüberstellung der Kosten der verschieden Reinigungssysteme sind Gegenstand des zweiten Teils.

 

Umweltvergleich CKW-alt - wäßrig - CKW-neu

Beim Umweltvergleich wird die Umweltbelastung durch die modernen Reinigungsverfahren (hier: wäßrig und CKW entsprechend der novellierten 2. BImSchV) in Beziehung gesetzt zur Umweltbelastung durch das alte, substituierte CKW-Verfahren (jeweils = 100 Prozent). Von den 27 wäßrig ersetzten Anlagen der Auswahl gehen in diesen durchgängigen Dreiervergleich nur 22 Fälle ein. Denn angesichts der verschärften Emissionsbestimmungen der nov. 2. BImSchV war eine alternative Umstellung auf CKW-neu statt auf wäßrig in fünf Fällen technisch nicht mehr möglich, so daß dafür keine Umrechnung vorgenommen wurde. Für den Vergleich wurden daher 22 Fälle herangezogen, die früher CKW, heute wäßrige Anlagen betrieben werden und alternativ dazu moderne CKW-Anlagen möglich sind.

In Tabelle 1 und Bild 1 werden die drei Systeme anhand von sechs Umweltbelastungskriterien rein quantitativ verglichen.

Soweit die grafische Darstellung ein Gesamtbild erkennen läßt, zeigen wäßriges System und modernes CKW-System gegenüber dem als Maßstab gesetzten alten CKW-System grundsätzliche Gemeinsamkeiten: völliger bzw. fast vollständiger Rückgang der CKW-Emissionen einerseits, deutlicher Anstieg des Energieverbrauchs andererseits.

 

Die in der Grafik (Bild 1) dargestellten Umweltbelastungen zerfallen in zwei große Gruppen, nämlich in reinigerbedingte (1-4) und in sonstige prozeßbedingte (5, 6) Emissionen.

 

Reinigerbedingte Einträge

An den Balkenlängen ist optisch erkennbar, daß bei den ersten drei reinigerbedingten Umweltbelastungen sowohl die vom wäßrigen als auch die vom modernen CKW-System erzeugten Umwelteinträge um ein Vielfaches unter den Werten des alten CKW-Systems liegen. Von diesem stammten 262,4 Tonnen Lösemittel und 16,9 Tonnen Sonderdeponat, in der Summe 279,3 Tonnen.

Das neue CKW-System reduziert diese Umwelteinträge (1, 3) um fast 99 Prozent, und zwar auf 3,17 Tonnen. Die CKW-Emissionen von Anlagenbetrieb und Recycling belaufen sich nur noch auf 3,1 Tonnen, das Sonderdeponat (Neutralisationssalz aus der Verbrennung CKW-haltiger Aktivkohle) fällt mit 65 kg kaum ins Gewicht.

Bild 1: Vergleich CKW-neu und wäßrig gegenüber CKW-alt nach ihren Beiträgen zu einzelnen Umweltbelastungen.

Demgegenüber hat das wäßrige System zwar die CKW-Emissionen (1) vollständig ausgeschaltet. Doch die an deren Stelle verursachten neuen Umwelteinträge sind rein quantitativ größer als diejenigen von CKW-neu. Bild 1 zeigt einen Vergleich zwischen CKW-neu und wäßrig und CKW-alt im Hinblick auf ihre Beiträge zu einzelnen Umweltbelastungen. Die Werte für CKW-alt sind jeweils als 100 Prozent gesetzt. Bei den vier oberen Kategorien, den reinigerbedingten Emissionen, weisen die beiden Substitutionssysteme einen drastischen Rückgang der Belastungswerte auf. Bei den sonstigen prozeßbedingten Umweltbelastungen (Kategorien 5 u. 6), d.h. bei Energieverbrauch und CO2 -Ausstoß, werden die alten CKW-Werte dagegen von den beiden Substitutionssystemen deutlich überschritten. Die Unterschiede zwischen CKW-neu und wäßrig sind dagegen nur geringfügig.

Von der wäßrigen Reinigung gelangen ins Abwasser 9,5 Tonnen systemspezifische Inhaltsstoffe (2), nämlich 4,7 Tonnen organische Wirkstoffe, die 8,6 Tonnen CSB bewirken, sowie 4,8 Tonnen anorganische Salze. Außerdem erzeugt das wäßrige System noch ein nennenswertes Sonderdeponat (4) aus der Abwasserbehandlung im Umfang von 2,3 Tonnen (Trockensubstanz ohne Wasser).

Rein mengenmäßig betrachtet stehen den 3,17 Tonnen reinigerbedingten Emissionen des modernen CKW-Systems 11,8 Tonnen reinigerbedingte Umwelteinträge des wäßrigen Systems gegenüber.

 

Prozeßbedingte Umweltbelastungen

Bei den prozeßbedingten Emissionen (Kategorien 5 und 6) zeigt die Grafik keine Umweltentlastungen gegenüber dem alten CKW-System wie bei den reinigerbedingten Umwelteinträgen. Im Gegenteil: Bei Energieverbrauch (5) und CO2 -Ausstoß (6) werden die Belastungswerte von CKW-alt sowohl vom wäßrigen als auch vom neuen CKW-System deutlich überschritten. Der Rückgang bei den reinigerbedingten Emissionen gegenüber dem alten CKW-System ist nicht ohne höheren Energieeinsatz zu erzielen, gleichgültig ob die Altanlagen wäßrig oder durch neue CKW-Anlagen ersetzt werden.

Die weiterführende Frage lautet, welches der beiden Substitutionssysteme mit einem höheren Energieverbrauch bzw. größerem CO2-Ausstoß verbunden ist. Energieverbrauch und CO2-Ausstoß verhalten sich bei den beiden Substitutionssystemen (wäßrig/CKW-neu) gegensätzlich.

Das wäßrige System braucht mit 4,990 Mio. kWh 15,6 Prozent mehr Energie als das neue CKW-System mit 4,316 Mio. kWh. Der Mehrverbrauch fällt im wesentlichen nicht bei der Badbeheizung, sondern bei der Teiletrocknung an.

Beim Kohlendioxidausstoß liegt die stärkere Umweltbelastung auf der Seite des neuen CKW-Systems, das mit 2 888 Tonnen 4 Prozent mehr emittiert als das wäßrige System mit 2777 Tonnen.

Der gegenüber dem wäßrigen System günstigere Energieverbrauchswert des neuen CKW-Systems ist nahezu ausschließlich durch den niedrigeren Energieaufwand für den direkten Betrieb der Reinigungsanlagen bedingt. Auch der Kohlendioxidausstoß der beiden Systeme ist mengenmäßig im wesentlichen durch den Anlagenbetrieb bestimmt. Hier weist das wäßrige System den ökologisch günstigeren Wert auf, da seine Anlagen weit stärker Primärenergie nutzen als die modernen CKW-Anlagen.

 

Energieverbrauch und CO2 -Emission

Die unterschiedliche Entwicklung von Energieverbrauch und CO2-Ausstoß geht auf den mit relativ geringeren CO2-Emissionen verbundenen stärkeren Einsatz von Primärenergie im wäßrigen System zurück. Von der Möglichkeit der Primärenergienutzung für den Anlagenbetrieb machen Großbetriebe eher Gebrauch als kleine. Ist die unterproportionale CO2 -Zunahme etwa nicht repräsentativ, sondern dem hohen Anteil von Großbetrieben und Großanlagen in vorliegender Auswahl geschuldet? In der Tat konnte nicht nur festgestellt werden, daß das wäßrige System grundsätzlich primärenergiefreundlicher ist, sondern auch, daß vor allem große Konzernbetriebe ihre Dampfversorgungsnetze für energieintensive Anlagen nutzen.

Der Energievergleich CKW-neu - wäßrig nach einzelnen Anlagenpaaren zeigt jedoch, daß bei den für Großbetriebe typischen, schnelltaktenden Großanlagen der Energievorteil beim CKW-System liegt, während wäßrige Anlagen, insbesondere kleinere, z. T. diskontinuierlich betriebene, weniger Energie verbrauchen. Bei der Betrachtung kleinerer Betriebe und kleinerer Anlagen ergibt sich keineswegs eine geringere CO2 -Emissionen beim neuen CKW-System, sondern primär eine Verringerung des Energieverbrauchs beim wäßrigen, nicht beim CKW-System. Da Kleinanlagen, gleich ob CKW- oder wäßrige, in aller Regel elektrisch betrieben werden, würden sich auch die CO2 -Emissionen nicht zugunsten des CKW-Betriebs verschieben. Der Unterschied bestünde nur darin: Eine stärkere Gewichtung von von Kleinbetrieben und Kleinanlagen würde nicht wegen der Energiestruktur zu relativ weniger CO2 beim wäßrigen System führen, sondern wegen relativ geringeren Energieverbrauchs.

 

Fazit der Mengenbilanz

Die Mengenbilanzierung zwischen CKW-neu und wäßrig zeigt bei den nicht reinigerbedingten Umweltbelastungen, daß beide Substitutionssysteme im Energieverbrauch und CO2 -Ausstoß relativ nahe beieinander liegen, das wäßrige System aber etwa 15 Prozent mehr Energie benötigt. Die beim wäßrigen System etwas günstigeren CO2 -Werte sind nicht auswahlbedingt. Bei den reinigerbedingten Umwelteinträgen liegen beide Substitutionssysteme mengenmäßig weit unter dem alten CKW-System. Das neue CKW-System produziert ca. 3,1 Tonnen CKW-Emissionen, das wäßrige System 11,8 Tonnen Abwasserbelastung und Deponat. Diese unterschiedlichen Belastungen (CKW einerseits, Abwasserinhaltsstoffe andererseits) müssen im einzelnen noch bewertet werden.

 

Bewertung der Verfahren

Hierfür wurden die Emissionen beider hier betrachteten Systeme (wäßrig, CKW-neu) bei Reinigungsbetrieb und Abfallbehandlung unter ökotoxikologischen und arbeitsökologischen Gesichtspunkten bewertet. Die Bewertung der Abwasserfracht beim wäßrigen System stützte sich auf eine detaillierte Erfassung des abwassergängigen Reinigeranteils und die Aufschlüsselung der Reinigerinhaltsstoffe. Zusammenfassend kann zum Verfahrensvergleich folgendes bemerkt werden:

Erstens: Die wäßrigen Reiniger bedeuten gegenüber dem alten und auch dem modernen CKW-System qualitativ und quantitativ eine beachtliche Umweltentlastung. Dies ist auf den inzwischen erreichten Grad der biologisch-chemischen Abbaubarkeit der Reinigerinhaltsstoffe und auf die Substitution einer Reihe von Problemstoffen zurückzuführen. Von wesentlicher Bedeutung ist, daß bei der wäßrigen Reinigung große Teile (etwa 60 Prozent) der den Bädern zugeführten Wirkstoffmenge nicht ins Abwasser gelangen, sondern bei der Badpflege und der Abwasserbehandlung mit dem abgereinigten Öl ausgetragen und der Abfallbehandlung zugeführt werden (2). Dies kann auch dann gesagt werden, wenn die jeweiligen spezifischen Umweltbelastungen der unterschiedlichen Verfahren nicht direkt verglichen werden können.

Zweitens: Während bei modernen CKW-Anlagen inzwischen ein hochentwickelter Stand der Technik erreicht ist, bieten sich bei wäßriger Reinigung Möglichkeiten der Anlagenoptimierung im Sinne nachhaltiger Technologieentwicklung und Verfahrensführung an, mit denen dem Minimierungsgebot bei den Stoffeinträgen Rechnung getragen werden kann. Hauptansatzpunkte für die Optimierung wäßriger Reinigung müssen heute die Reduzierung der Stoffverbräuche und damit auch der Abwasserfrachten sowie des Energieverbrauchs sein. Als dritter Ansatzpunkt kommt verbesserte Wassernutzung infrage.

Drittens: Beim modernen Lösemittelsystem ist der Stoffkreislauf nicht geschlossen. Dies gilt gerade für diejenigen Sicherheitssysteme, die weitgehend auf dem Einsatz von Frischware beruhen (safechem). Obwohl der verschmutzte CKW weitgehend regeneriert wird, fließt dieses Regenerat zu großen Teilen nicht wieder in den Kreislauf zu gleichem Verwendungszweck in geschlossenen Anlagen zurück, sondern es wird in in mindere Anwendungsformen gedrängt (Export) und emittiert dabei ("Zweitemission"). Die Schwachstelle des modernen CKW-Verfahrens beim heutigen Stand ist nicht der Anlagenbetrieb, sondern seine Lösemittelversorgung. Sie erfolgt nach wie vor im wesentlichen durch fabrikneue Frischware, obwohl technisch der Regenerateinsatz in geschlossenen Anlagen entsprechend der novellierten 2. BimSchV möglich ist und teilweise praktiziert wird. Dem Kreislaufgebot wird insofern noch völlig ungenügend Rechnung getragen.

 

Nachweise

Bezugsmöglichkeit: Die Studie (A.Leisewitz/W.Schwarz, Metalloberflächenreinigung mit CKW, KW und wäßrigen Reinigern, 324 S.) ist als UBA-Text 65/94 erschienen und kann unter Angabe dieser Nummer und Voreinsendung eines Verechnungsschecks über 15 DM an Werbung u. Vertrieb GmbH, Ahornstr. 1-2, 10787 Berlin, Tel. 030-211 60 61, bezogen werden.

vgl. dazu: A.Leisewitz/W.Schwarz, Die Umweltfolgen der Umstellung von CKW- auf wäßrige Reinigung, in: JOT-Handbuch Industrielle Teilereinigung & Vorbehandlung, München 1994, S. 12 ff.