UBA-Infotag F-Gase-Verordnung: Weiterer Handlungsbedarf offensichtlich

7. Februar 2018 - 14:19 -- oeko

Die Veranstaltung des Umweltbundesamtes zur F-Gase-Verordnung am 02.02.2018 war mit Spannung erwartet worden: Die Handwerksverbände der Kälte- und Klimatechnik hatten bereits im Herbst 2017 in einem offenen Brief an die Bundesregierung auf die schwierige Situation kleiner und mittelständischer Betriebe in Deutschland infolge der steigenden Preise und schwindenden Verfügbarkeit von Kältemitteln hingewiesen. Beauftragt durch das Bundesumweltministerium organisierte das Umweltbundesamt diesen Infotag. Ziel war ein Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen politischen Entscheidungsträgern und den am Kältemittelmarkt beteiligten Akteuren zu den Wirkungen der F-Gase-Verordnung.

Nach der Einleitung durch Wolfgang Plehn (Umweltbundesamt) und einem Grußwort von Christian Meineke (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit; BMUB) führte Arno Kaschl (EU Kommission, DG CLIMA) in den Stand der Umsetzung der EU F-Gase-Verordnung 517/2014 ein. Er ging auf die Vorschriften zur Quotenvergabe ein, die in der Verordnung genau festgelegt sind und betonte, dass die auf den Markt gebrachten HFKW-Mengen in den letzten Jahren bereits stärker gesunken waren als durch den HFKW-Phase-down gefordert. Im Jahr 2016 lag die Ausnutzung  der Quoten für Gebindeware bei nur 77 %, so dass der reale Reduktionsschritt kleiner ausfällt als es zunächst scheint. Auch wirken Autorisierungen für importierte Geräte, die in den vergangenen Jahren bereits eingeholt worden sind, in diesem Jahr als Puffer und sorgen nun für einige Erleichterung bei der Umsetzung der aktuellen Reduzierung. Die Einführung klimafreundlicher Technologien sowie die Wiederaufbereitung von HFKW-Gasen und die strenge Einhaltung der Maßnahmen zur Dichtheitskontrolle sind unbedingt weiter voranzubringen. Das durch die EU Kommission beauftragte HFKW-Preismonitoring zeigt, dass ein deutliches Preissignal des Phase-down erst seit einem Jahr auf dem Markt spürbar ist. Daher wurden die Marktteilnehmer zum Teil durch den raschen Preisanstieg überrascht. Betont wurde, dass sich der Markt aktuell in einer wichtigen Übergangsphase befinde, die nun bewältigt werden muss und schnelle Reaktionen von allen Marktteilnehmern erfordert. Zu beachten sei, dass die F-Gas-Verordnung kein schnelles "Krisenreaktionsinstrument" vorsehe und eine Änderung der F-Gase-Verordnung nur über das Mitentscheidungsverfahren möglich wäre, ein Prozess, der sehr lange dauere.

Anschließend stellte Andrea Voigt, European Partnership for Energy and the Environment (EPEE), das so genannte „Gapometer“ vor, ein Modell zur Realitätsanalyse, das eine nach Anwendungssektoren unterteilte Strategie für die Umsetzung der EU F-Gase-Verordnung und des HFKW-Phase-down beinhaltet. Es werden aber auch die Lücken (engl.“ gaps“) aufgezeigt, die sich zwischen der Wirklichkeit und der erforderlichen Reduktion von HFKW-Mengen (in CO2-Äquivalenten) in Europa erkennen lassen. Deutlich wurde, dass vor allem auf Seiten der Gerätehersteller und Endverbraucher Handlungsbedarf besteht, Alternativen mit niedrigem Treibhausgaspotential (engl.“global warming potential“, GWP) noch unzureichend verwendet werden und in Hinsicht auf deren Einsatzmöglichkeiten dringend das erforderliche Bewusstsein geschaffen werden muss.

Kerstin Martens (Umweltbundesamt) präsentierte schließlich eine Analyse zum HFKW-Verbrauch in Deutschland, die auf Erhebungen des Statistischen Bundesamtes beruht. In Deutschland werden seit 2005 gemäß Umweltstatistikgesetz Verwendungsmengen für HFKW nach Anwendungen erfasst. Es zeigte sich, dass R404A und andere Kältemittel mit hohem Treibhauspotenzial (GWP >2500) auch in 2016 noch für die Erstbefüllung stationärer Kälte- und Klimaanlagen eingesetzt wurden. Für die Nachfüllung stationärer Kälteanlagen ist aufgrund dessen auch in den nächsten Jahren nicht mit einem Rückgang an Kältemitteln mit hohem GWP zu rechnen. Ein Ausblick auf die HFKW-Verfügbarkeit 2018 schreckte manche Zuhörer auf, denn für die Erstbefüllung stationärer Kälteanlagen werden weniger als die Hälfte der im Jahr 2016 verwendeten Mengen zur Verfügung stehen.

Eine Podiumsdiskussion mit Arno Kaschl (EU Kommission), Andrea Voigt (EPEE), Hans Verolme (Environment Investigation Agency), Frank Heuberger (Bundesinnungsverband des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks; BIV) und Harald Conrad (Westfalen AG) folgte am Nachmittag. Auf Grundlage der zuvor präsentierten Situation sollten Positionen geklärt und gemeinsam nach Lösungsansätzen gesucht werden.

So beklagte Frank Heuberger (BIV) große Wissensdefizite auf Ebene der Anlagenbetreiber mit Blick auf die Anforderungen der F-Gase-Verordnung als auch ein fehlendes Bewusstsein für notwendige Dichtheitsprüfungen. Dadurch würden Leckagen oft erst im Havariefall bemerkt, was dann zum Totalverlust des Kältemittels führt. Mangelnde Kenntnisse seien auch bei Fachplanern problematisch, die leider oft noch Kälteanlagen mit R404A ausschreiben würden. Diese Gruppen müssten stärker adressiert werden. Strengere Verbote in der Verordnung hätten dabei helfen können. Außerdem stellten baurechtliche Vorgaben und der Fachkräftemangel mit Blick auf natürliche Kältemittel eine Schwierigkeit dar.

Harald Conrad (Westfalen AG) unterstrich die derzeit existenzgefährdende Situation mancher Betreiber durch den starken Anstieg der Kältemittelpreise. Die Wiederaufbereitung von Kältemitteln, die unter anderem durch sein Unternehmen angeboten werde, sei von elementarer Bedeutung für die Realisierung des HFKW-Phase-down. Der zurzeit geringe Rücklauf an Kältemittelbehältern zeigt aber, dass Serviceunternehmen und Betreiber wohl noch HFKW-Bestände eingelagert hätten. Der Kältemittelmarkt wird im Laufe des Jahres voraussichtlich einige Neuheiten kennenlernen, da die Innovationsentwicklung momentan sehr dynamisch verläuft.

Hans Verolme (Climate Advisers Network; vertrat Environment Investigation Agency) erklärte, dass die F-Gase-Verordnung aus seiner Sicht einen „Kuhhandel“ darstelle, da einigen Unternehmen zu hohen Gewinnen verholfen wurde. Dieses Geld hätte besser für die Förderung von Innovationen genutzt werden können. Ein schneller und radikaler Umstieg auf natürliche Kältemittel ohne die Interimsnutzung von Mittel-GWP-Gasen ist zudem dringend erforderlich.

Andrea Voigt (EPEE) erklärte, dass die Industrie im Zuge der Revision der F-Gase-Verordnung entschieden gegen Verbote gekämpft hatte. Durch die starke Diversifizierung der Kälte-Klima-Branche bestehen sehr unterschiedliche Anforderungen, so dass der Phase-down als Flexibilitätsmechanismus bevorzugt wurde. Weiterhin stellte sie positive Beispiele für die Implementierung der EU-Verordnung in einigen EU-Mitgliedstaaten vor, etwa das detaillierte Anlageregister in Ungarn, die Datenbank zur Berichterstattung über Anlagen und Nachfüllmengen in Polen sowie das STEK-System in den Niederlanden, einem Vorläufer der EU F-Gase-Verordnung. Arno Kaschl (EU Kommission) wies auf die noch bestehenden enormen Einsparpotenziale hin, die es zu heben gilt. Bewusstseinsbildung und Beratung sollten weiterhin im Fokus stehen. In diesem Zusammenhang wurde durch das UBA auf ein internetbasiertes Beratungsangebot zu natürlichen Kältemitteln verwiesen, das voraussichtlich ab Frühjahr 2018 zur Verfügung steht.

Verbandsvertreter fragten schließlich nach der Kältemittelverfügbarkeit, wobei sie sich ausdrücklich an die Gasproduzenten wandten. Diese erklärten, dass alle Kältemittel mit niedrigem GWP in ausreichenden Mengen vorhanden seien. Die Streichung der Hoch-GWP-Kältemittel R404A und R507 aus dem Produktportfolio eines Herstellers könnte als „Selbstverteidigungsmaßnahme“ verstanden werden, um eine Fokussierung auf Alternativen und Effizienzsteigerungen zu erreichen. Zukünftig sollten möglichst Kältemittel mit niedrigem GWP eingesetzt werden, jedoch sind mit Blick auf den Einsatz von A2L/A3-Kältemitteln neue Anlagenkonzepte erforderlich.

Fazit: Die Veranstaltung stellte klar die gegensätzlichen Standpunkte der politischen Entscheidungsträger und der Industrie dar. Der Zufriedenheit mit den Wirkungen der F-Gase-Verordnung auf den HFKW-Verbrauch, die Emissionsentwicklung und das Preissignal standen Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen HFKW-Verfügbarkeit, Kapazitäts- und Fachkräftemangel, Wissensdefizite und rechtliche Hürden gegenüber. Da eine Änderung der derzeitigen Rechtslage nicht absehbar ist, wird auf die Industrie in der nächsten Zeit noch viel Arbeit zukommen, um sich an die Effekte der F-Gase-Verordnung anzupassen. Die Verbände zeigten sich bereit, durch eigene Maßnahmen zum Gelingen des Umsetzungsprozesses konstruktiv beizutragen. Vor allem ein Aspekt wurde während der Veranstaltung immer wieder hervorgehoben: Man müsse Bewusstsein schaffen, auf allen Ebenen, in allen Bereichen, um die vorgegebenen HFKW-Reduzierungsschritte realisieren zu können.

Die Präsentationen der Veranstaltung sind auf der Homepage des Umweltbundesamtes verfügbar.

https://www.umweltbundesamt.de/service/termine/informationsveranstaltung-zur-f-gas-verordnung-im